Auf die Gewohnheiten der Kunden eingehen. Unternehmenserfolg sichern.

Autor: Alexej Dyschelmann, Veröffentlicht:

Wie wichtig sind menschliche Gewohnheiten für die Gestaltung von digitalen Produkten, Webseiten und anderen Kontaktpunkten? Enorm! Denn dadurch haben Unternehmen die Möglichkeit, Kunden dauerhaft an sich zu binden.

„Gewohnheit“ wird vom Duden wie folgt definiert: „Durch häufige und stetige Wiederholung selbstverständlich gewordene Handlung, Haltung, Eigenheit; etwas oft nur noch mechanisch oder unbewusst Ausgeführtes“. Hiermit sind Gewohnheiten automatische Verhaltensweisen, die durch situationsbedingte Reize ausgelöst werden. Dabei wird wenig oder gar kein bewusstes Nachdenken erfordert. Diesen Prozess nutzen etablierte Marken, um unser Alltagsverhalten zu verändern. Hierbei sprechen wir von gewohnheitsprägenden Produkten und Dienstleistungen.

Solche Produkte und Dienstleistungen sind für viele Unternehmen überlebensnotwendig geworden. Durch die stets wachsende Informationsflut reicht es nicht mehr aus, die Zielgruppe mit der Werbebotschaft zu erreichen. Das ultimative Ziel ist es, die Gewohnheiten der Zielpersonen zu beeinflussen und sie langfristig an die eigene Marke zu binden. Hierdurch spielt die Analyse des Konsumentenverhaltens eine übergeordnete Rolle. Es genügt nicht das Online-Nutzungsverhalten zu betrachten. Es ist viel wichtiger, die dahintersteckenden psychologischen Mechanismen zu kennen.

Welche Marken haben es geschafft, ihre Produkte und Dienstleistungen mit „Inneren Auslösern“ bei den Zielpersonen zu verknüpfen? Innere Auslöser sind Gewohnheiten und Emotionen.

Beispiel aus dem Alltag: Was tut Ihr, wenn Ihr ein klein wenig gelangweilt seid? Scrollt Ihr dann bereits durch tiktok, Facebook oder Instagram bevor Ihr überhaupt bewusst darüber nachdenken konntet? Kommt Euch die folgende Situation bekannt vor: Ihr holt Euer Smartphone heraus, um nach dem Wetter zu schauen, doch stattdessen öffnet ihr zuerst eine Social App? DAS sind Praxisbeispiele für besonders gelungene und gewohnheitsprägende Produkte.

Wie könnt Ihr dieses Wissen nutzen, um Eurer Zielgruppe bei einer bestimmten Entscheidung zu helfen? Die Antwort darauf verschafft Eurem Unternehmen einen erheblichen Wettbewerbsvorteil.

Wie kriegen wir das hin?

Nir Eyal hat zu dieser Thematik ein Haken-Modell entworfen. Der Haken bezeichnet eine Reihe von Erfahrungen, die Anwender:innen durchlaufen müssen. Je öfter sie mit diesem Haken in Kontakt kommen, desto wahrscheinlicher ist die Bildung einer Gewohnheit. Das Haken-Modell beinhaltet mehrere aufeinanderfolgende Zyklen mit der folgenden Aufgabe: Konsumenten sollen von selbst immer wieder zurückkommen, ohne dass dafür ausgiebige Werbekampagnen ausgerollt werden müssen.

Dies sind die vier Phasen des Haken-Modells:

  1. Auslöser: Diese stellen den Start einer Handlung bzw. eines Verhaltens dar. Dabei wird zwischen inneren und äußeren Auslösern unterschieden. Äußere Auslöser (wie z. B. ein App-Icon, eine E-Mail, eine Google Ad, etc.) dienen dazu, die Aufmerksamkeit der Nutzer:innen zu wecken.
    Nehmen wir an: Alexej plant eine Reise nach Ägypten mit seiner Frau. Plötzlich sieht er auf dem Facebook-Account seines Freundes Denys, ein wunderschönes Bild von Hurghada mit dem Aufruf, auf das Bild zu klicken. Weil Alexej Interesse an dem Bild hat und eine Reise nach Hurghada in Erwägung zieht, klickt er auf das Bild.
    Ziel: Was passiert, wenn wir aufeinanderfolgende Haken-Zyklen durchlaufen? Wir stellen Assoziationen zu inneren Auslösern her, die mit bestehenden Verhaltensweisen und Emotionen verbunden sind! Wenn wir anfangen, die nächsten Verhaltensweisen automatisch / unterbewusst auszulösen, dann ist die neue Gewohnheit zu einem Teil unserer Alltagsroutine geworden. Wer kennt es nicht: Morgens früh aufstehen, erstmal Mails, Whatsapp, etc. checken! Im Laufe der Zeit verbinden wir dann z. B. Whatsapp, Facebook und Instagram mit unserem menschlichen Bedürfnis nach sozialen Bindungen und vielleicht sogar Anerkennung.

  2. Handlung: Was kommt nach dem Auslöser? Die Handlung! Diese bezeichnet das Verhalten, bei dem eine Belohnung erwartet wird. Zu Alexejs Beispiel: Durch das Klicken auf das Hurghada-Bild in seinem Facebook-Newsfeed, gelangt er zu dem Pinterest-Account von Denys. Pinterest ist eine umfangreiche Online-Pinnwand, bei der Fotos geteilt werden können. 
    Frage: Wie kann die Wahrscheinlichkeit einer Handlung erhöht werden? Indem die Durchführung einer Handlung möglichst mühelos erfolgen kann und die psychologische Motivation gegeben ist! In unserem Beispiel ist beides gegeben. Alexej kann mühelos das Bild anklicken. Die psychologische Motivation ist durch die Freundschaft zu Denys und die bevorstehende Ägyptenreise gegeben. Nachdem Alexej den Klick auf das Foto durchgeführt hat, ist er begeistert von dem, was er als nächstes sieht…

  3. Variable Belohnung: Das Haken-Modell hat das Potenzial, ein Bedürfnis zu erschaffen. Mit Hilfe von variablen Belohnungen können Unternehmen Nutzer:innen langfristig an sich binden. Sobald das Gehirn eine Belohnung erwartet, steigt der Neurotransmitter Dopamin umgehend an. Durch Variabilität wird dieser Effekt sogar vergrößert. Denn dadurch entsteht eine Konzentration im Gehirn, die die Gehirnareale zur Urteilsfähigkeit und Vernunft unterdrückt. Dabei werden die Bereiche für Wünsche und Sehnsüchte aktiviert. Wie sehen solche variablen Belohnungen in der Praxis aus? Denken wir da z. B. an Geldspielautomaten und Lotterien.
    Variable Belohnungen funktionieren auch in der digitalen Welt. Als Alexej auf Pinterest weitergeleitet wird, sieht er nicht nur das Hurghada-Bild von Denys. Darüber hinaus entdeckt er zahlreiche weitere interessante Bilder. Das Sortiment an Fotos zeigt sehenswerte Ziele auf Alexejs bevorstehender Reise nach Ägypten! Dazu fallen ihm weitere Objekte ins Auge. Es besteht eine aufregende Mischung aus Schönem, Schlichten, Gewöhnlichem, Aufreizendem, Relevantem und Irrelevanten. Dieser Mix überflutet das Dopaminsystem des Gehirns mit dem Versprechen einer Belohnung. Dadurch verbringt Alexej mehr Zeit auf Pinterest und sucht nach dem nächsten ausgezeichneten Fund. Diese Funde beinhalten nicht mehr nur die möglichen Urlaubsorte und Sehenswürdigkeiten, sondern auch Home-Office-Einrichtungsideen, mögliche Tattoos und coole Zitate. Bevor Alexej es überhaupt gemerkt hat, hat er bereits 60 Minuten auf Pinterest verbracht.

  4. Investition: Jetzt kommen wir zur letzten Phase des Haken-Modells. Hier ergibt sich ein kleiner Aufwand für die Nutzer:innen. Daraufhin wird die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass die betroffene Person in Zukunft erneut den Haken-Zyklus ausführen wird. Die Investition kann z. B. durch Mühe, Zeit, Geld, Daten oder soziales Kapital getätigt werden. Es geht allerdings nicht darum, nur die Geldbörse der Person zu öffnen. Sondern vor allem um eine Handlung, die den Service für den nächsten Haken-Zyklus optimiert. An dieser Stelle werden Vorlieben geäußert, Freunde eingeladen und die neuen Features kennengelernt. Dabei fällt uns auf, dass es alles Investitionen sind, die Nutzer:innen vornehmen, um ihr eigenes Nutzungsverhalten zu verbessern. Eine solche Beteiligung kann verwendet werden, um innerhalb der User Experience den Auslöser intensiver, die Handlung einfacher und die Belohnung aufregender zu gestalten.
    So scrollt Alexej voller Freude durch Pinterest. Hierdurch wünscht er sich, Objekte aufzubewahren, die ihm Freude bereiten und zum Nachdenken bringen. Durch die Sammlung dieser Objekte erhält Pinterest nun tiefere Einblicke in Alexejs Vorlieben. Das soziale Netzwerk analysiert und interpretiert diese Daten, um anschließend bessere Beiträge an Alexej auszuspielen. Bald fängt Alexej an, eigene Beiträge zu verfassen und Favoriten zu markieren. Es kommen weitere Investitionen hinzu, die Alexej an die Webseite binden und ihn für weitere Haken-Zyklen vorbereiten.

Ihr habt nun die Erklärung des Modells durchgelesen. Was fällt Euch auf? Es existieren bereits unzählige gewohnheitsprägende Technologien, die für die Gestaltung unseres Lebens verwendet werden. Durch die unterschiedlichsten Geräte, wie TVs, Laptops, Smartphones, Tablets, Smart Watches, Wearables und Gaming-Konsolen haben wir einen noch nie dagewesenen Zugang zum Internet. Infolgedessen eröffnen sich zahlreiche Möglichkeiten, unser Verhalten zu analysieren und zu beeinflussen. Wer Kundendaten schnell sammelt, auswertet, interpretiert und daraus Handlungen kurzfristig ableitet, gewinnt.

Allerdings ist das Haken-Modell nicht in allen Bereichen umsetzbar. Im ersten Schritt schätzen wir gemeinsam mit Euch ein, inwieweit Nutzergewohnheiten sich auf Euer spezielles Geschäftsmodell und Eure Zielsetzungen auswirken. Welche Anbieter brauchen keine Gewohnheitsnutzer:innen (im Sinne täglicher Nutzung)? Anbieter von selten gekauften oder verwendeten Produkten / Dienstleistungen! Können wir hierzu dennoch das Wissen aus dem Haken-Modell verwenden? Zum Teil…

Haken-Modell in der Praxis

Was Ihr jetzt tun solltet:

Wenn Ihr ein gewohnheitsprägendes Produkt entwickeln wollt, notiert Euch die Antworten auf folgende Fragen:

  1. Welche Gewohnheiten Eurer Zielgruppe sind für Euer Geschäftsmodell wichtig?

  2. Welches Problem wird durch Euer Produkt / Dienstleistung gelöst?

  3. Wie löst die Zielgruppe dieses Problem gegenwärtig – und warum braucht es eine Lösung durch Euch?

  4. Wie häufig werden sich die Anwender:innen mit Eurem Produkt beschäftigen? (Erwartungshaltung)

  5. Welches Konsumentenverhalten möchtet Ihr gerne in eine Gewohnheit umwandeln?

Ihr wollt wissen, wie ihr das Haken-Modell für Euch nutzen könnt? Sprecht uns dazu gerne an und wir prüfen, ob dieses Modell für Euer Geschäft geeignet ist.